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Projekt: Spurensuche Nationalsozialismus in der Sektion Braunschweig des Deutschen Alpenvereins

29.09.2024

Seit Mai 2023 wird eine umfangreiche Recherche zur Geschichte der Sektion Braunschweig in der Zeit des Nationalsozialismus durchgeführt.

Am 12. Dezember 1883 trafen sich 15 Herren im Schwarzen Walfisch an der Ulrici-Kirche, um über die Gründung einer Sektion Braunschweig des Alpenvereins zu beraten. Da bestand der Gesamtverein in München schon seit 15 Jahren, durch die Ferne der Alpen dauerte es etwas länger, bis auch in Norddeutschland die Begeisterung fürs Bergsteigen zu Sektionsgründungen führte. Doch Reisen war teuer und Urlaub knapp, so dass sich auf der Mitgliederliste in den ersten Jahren vor allem Braunschweiger Honoratioren und Angehörige des Bürgertums finden. Umso beeindruckender, dass die nun etwa 100 Mitglieder zählende Vereinigung im Jahr 1892 mit großem Idealismus mit dem Bau einer Hütte in der Bergwelt südlich von Imst im schmalen österreichischen Pitztal auf 2.759 Meter Höhe begann. Standen zunächst 30 Betten und Heulager zu Verfügung, so hatte der rege Besucherstrom im Laufe der Jahrzehnte zu ständigen Erweiterungen der Berghütte geführt. Die günstige Lage der Hütte erleichtert auch heute die Übergänge vom Pitztal zum Ötztal und ist ein beliebter zentraler Ausgangspunkt vieler Hochtouren.

Während über die verschiedenen Ausbaustufen und vielfältigen Nutzungen der Hütte der Braunschweiger Sektion viele Informationen vorliegen, gibt es für die Entwicklung des Braunschweiger Vereinslebens manche Lücke. 

Die Mitgliederversammlung der Sektion unterstützte im Mai 2023 mit großer Zustimmung den Antrag, eine Recherche zur Geschichte der Sektion Braunschweig in der Zeit des Nationalsozialismus durchzuführen. Vorbild waren Projekte u.a. der Sektionen Bayerland, Berlin, Frankfurt/Main, Köln, die z.T. umfangreich ihre Geschichte zwischen 1933 und 1945 untersucht und dokumentiert haben. Bereits 2001 hatte der Hauptausschuss des DAV eine „Erklärung gegen Intoleranz und Hass“ beschlossen, die Aufarbeitung seiner Geschichte in der NS-Zeit erforscht und 2022 in einer Ausstellung im Alpinen Museum München aufgearbeitet. Vergleichbares gibt es bisher für die Sektion Braunschweig nicht, in früheren Chroniken wird die Zeit zwar durchaus selbstkritisch, jedoch nur in wenigen Sätzen dargestellt.

 

Heute setzt sich die Sektion Braunschweig für eine weltoffene Gesellschaft ein, für Wertschätzung aller Menschen, ungeachtet ihrer Weltanschauung, Religion, Kultur, sexuellen Orientierung oder ethischen Herkunft. Im Bewusstsein seiner Geschichte und der Ausgrenzung seiner früheren jüdischen Mitglieder soll nun eine Spurensuche nach Lebensdaten von Vereinsmitgliedern aus den Jahren zwischen 1930 bis 1945 im Mittelpunkt stehen. Dabei wird auch Fragen nach den Auswirkungen der Gleichschaltung der Sektion, der Besetzung des Vorstandes ab 1933 und nach dem Neustart 1945 und der Umgang mit jüdischen Mitgliedern nachgegangen werden. So wird die Erinnerung an die Opfer von Intoleranz und Verfolgung wachgehalten.

Wie alle Vereine wurde die Sektion 1933 gleichgeschaltet, nach dem „Arierparagraphen“ in der Satzung durften nun keine Juden mehr Mitglied sein und werden. Auch die 1934 gegründete Jugendgruppe wurde 1940 der Hitlerjugend angegliedert. Wie die nationalsozialistische Ideologie jedoch im Alltag umgesetzt wurde und wie sie sich auf das Vereinsleben auswirkte, darüber gibt es bisher kaum Informationen.

Zur Aufarbeitung des Projektes Spurensuche fand sich eine dreiköpfige Projektgruppe, die nach historischen Unterlagen suchte und diese auswertete. Im Sommer 2024 konnte dem Vorstand ein Zwischenbericht vorgelegt werden, mit neuer Motivation und weiteren Fragen wird nun am Abschlussbericht gearbeitet.

Sehr willkommen sind Vereinsmitglieder, die an diesem Projekt Spurensuche interessiert sind. Diese melden sich dafür unter der folgenden eMail: spurensuche@davbs.de 

Für den Bericht
Meike Buck und Michael Wettern

Meike Buck

M.A. M.A. (Archiv)

2001-2007 Studium Geschichte, Französisch und Pädagogik an den Universitäten Trier und Hannover, 2020-2023 Archivwissenschaften an der FH Potsdam

2007-2023 Braunschweigisches Landesmuseum, freiberufliche Tätigkeit, Niedersächsisches Landesarchiv Wolfenbüttel

Seit 2023 Stadtarchiv Braunschweig

Mitglied im DAV seit 2007

Prof. Dr. rer. nat. Michael Wettern

1968-1978 Biologie-Studium an der Universität Hamburg 

1978-2011 am Botanischen Institut der TU Braunschweig

1980-1982 an der Hebräischen Universität Jerusalem

Mitglied im DAV seit 1975