Blick auf den Rettenbachferner im Skigebiet Sölden | © Eva Lavon

Pitztaler Gletscherwelt durch geplante Skigebietserschließung zusätzlich unter Druck

WWF Österreich sowie OAV und DAV luden Pressevertreter am 24. August 2023 zu Gletscher-Wanderung ein.

08.09.2023

Die Nachrichten sind voll davon, dass Gletscher in nie gekanntem Ausmaß zurückgehen, die Alpen schon jetzt extremer als andere Regionen von der Erderwärmung betroffen sind und tauender Permafrost, die Berge ins Rutschen bringt. Manche fragen sich schon, ob Hochgebirgstouren überhaupt noch möglich sind.

Die Pitz- und Kaunertaler Liftgesellschaft - von diesen Entwicklungen scheinbar ungerührt – kündigt gleichzeitig Pläne für den Ausbau ihrer Gletscherskigebiete an. Wie in BS-Alpin der Sektion Braunschweig in der Ausgabe 03/2023 berichtet, sind zwar die gigantischen Ausbaupläne zur Verbindung des Ötztaler- und des Pitztaler-Gletscherskigebiets vom Tisch, aber neue Pläne für einen Ausbau der wurden umgehend aus der Schublade geholt; diese betreffen übrigens sowohl das Pitztaler als auch das westlich angrenzende Kaunertal.

Der World Wild Life Fonds (WWF) Österreich, der Österreichische Alpenverein (ÖAV) sowie der Deutsche Alpenverein (Bundesverband München) sind alarmiert. Der WWF Österreich lud daher für den 24. August Pressevertreter*innen zu einer vor Ort Begehung im Pitztaler Gletschergebiet ein. Expert*innen aus Glaziologie, Ökologie und Freiraumschutz veranschaulichten dabei die konkreten Bedrohungen: etwa in Bezug auf Biodiversität in Gletschervorfeldern, Gletscherrückgang und wiederkehrende Eingriffe in die Gebirgsnatur, sowie die Bedeutung des Gebietes für naturnahe Erholung.

Eine wahre Wohltat ist es daher, als die insgesamt 18-köpfige Gruppe auf dem Weg zur Braunschweiger Hütte, den Bereich des Pitztaler-Skigebiets verlässt. Erschreckend anzusehen ist zwar der massive Rückgang der Gletscher - aber immerhin ist die Natur hier noch weitgehend unberührt.

Mit den Ausbauplänen für den linken Fernerkogel würde sich das ändern. Nach den Vorstellungen der Liftgesellschaft, soll eine Gondel von unterhalb der Braunschweiger Hütte bis hinauf auf ein Joch am linken Fernerkogel errichtet werden. Pisten über den Mittelberg- sowie den Hangenden Ferner - beide bislang unerschlossen - sind geplant. Diese Vorstellung ist beängstigend. Es ist deutlich zu spüren, dass diese Natur schon jetzt so labil ist und weitere Eingriffe frevelhaft wären. Tobias Hipp, Permafrost-Experte des DAV, macht deutlich, dass die zunehmende Wärme dazu führt, dass die Gipfel rund um den sich zurückziehenden Gletscher an Stabilität verlieren. Der tauende Permafrost bringe die Berge ins Rutschen. Die Hänge würden dauerhaft Steinschlag liefern. Da stellt sich die Frage, ob es nicht auch mit extrem viel Risiko verbunden ist, wenn hier Bergstationen und Stützenfundamente errichtet werden.

Oben auf 2.840m mit dem Gletscherexpress im Skigebiet angekommen, erfahren die Pressevertreter zum Teil erstmalig, was es heißt, im Sommer in einem Skigebiet zu sein: Bagger schieben Wege und präparieren die Pisten mit Schotter. Kein richtig schöner Anblick und auch eine ordentliche Lärmbelästigung. Im benachbarten Söldener Skigebiet ist es noch deutlicher zu spüren: Hubschrauber fliegen im 30 Sekunden Takt Schotter, um Pisten für die bevorstehende Eröffnung mit der Weltcup-Abfahrt zu präparieren. Felsen, die nach dem Rückzug vom Gletscher zum Vorschein treten, werden dabei auch gerne einfach mal weggesprengt.

Braunschweiger Hütte mitten im Skizirkus?

Die Braunschweiger Hütte, die 1892 am Rande einer einmalig schönen Gletscherwelt errichtet wurde, mit dem Ziel Bergsteiger*innen auf dem Weg zu höheren Zielen einen Schutz zu bieten, würde durch die geplante Erschließung des Fernerkogels quasi Teil des Skizirkus werden. Jahrelange Baustellen würden auch im Sommer die Idylle zerstören und wie wir aus den bisherigen Skigebieten wissen, wird auch im laufenden Betrieb im Sommer gebaggert und gebaut, um Wege und Pisten zu präparieren bzw. zu stabilisieren und Liftanlagen in Stand zu halten.

Für die Braunschweiger Sektion haben Hüttenwart Günter Gehrke und Klimaschutzreferentin Eva Lavon den Teilnehmer*innen die Bedeutung der Braunschweiger Hütte als Stützpunkt für Bergsteiger*innen deutlich gemacht:

Täglich kommen hier in den Sommermonaten im Schnitt über 100 Wander*innen, um auf der Hütte zu übernachten. Die Hütte ist der höchstgelene Stützpunkt auf dem Europäischen Fernwanderweg E5 von Obersdorf nach Meran. Aber auch andere wichtige Ziele und Wege werden von hier aus begangen.

„Wir lehnen eine Erschließung des Linken Fernerkogels ab. Es steht nicht im Einklang mit unseren Zielen. Eine umweltverträgliche Nutzung dieses vom Skitourismus unberührten Naturraumes, ohne Beeinträchtigung von Pistenraupen und Baggern mit der dahergehenden Bodenverdichtung, sollte unser aller Ziel sein. Das Gletscherrückzugsgebiet unterhalb des hangenden Ferners ist einmalig schön und muss für die Zukunft erhalten bleiben. Die schonende Nutzung dieses Landschaftsraumes rund um die Braunschweiger Hütte sollte uns am Herzen liegen, damit auch unsere Kinder und Enkelkinder diesen eindrucksvollen Naturraum kennen und schätzen lernen.“

„Uns liegt daher auch gemeinsam mit den Pächtern am Herzen, dass der Betrieb der Braunschweiger Hütte auf 2.759 Metern umweltverträglich erfolgt: Das fängt bei der Versorgung mit Naturstrom an, die Wassererwärmung erfolgt über Solarthermie, die Abwasserentsorgung mittels neuer Kläranlage, Wassersparhähnen, energiesparenden Beleuchtungen, Müllvermeidung durch die Verwendung von Mehrwegverpackungen, Verwendung von umweltfreundlichen Reinigungsmitteln bis hin zum wachsenden Angebot von vegetarischen Speisen, um hier nur die wichtigsten Aspekte zu nennen. Das Umweltgütesiegel der Alpenvereine ist für die Braunschweiger Hütte gerade beantragt worden. Wir sind zuversichtlich, dass wir dieses auch zeitnah ausgesprochen bekommen. Ein besonderer Dank gilt hier schon jetzt den Pächtern, Stefan und Melanie Neurauter, die sich mit vielen eigenen Ideen für einen umweltschonenden Betrieb stark machen.“

Bleibt zu hoffen, dass auch diese neuen Erweiterungspläne durch die Bevölkerung und politischen Vertreter*innen des Pitztales abgelehnt werden.

- Eva Lavon