Sonntag, 3.9.23, unser Bus mit sechs Insassen spurt munter die A7 in Richtung Süden. Wir freuen uns auf eine Kletterwoche in zwei Regionen. Zuerst im Tannheimer Tal, dann in die Lechtaler. Das Konzept (kleine Gruppe, feste Seilpartner, intensives Training in den Monaten zuvor, und eigene vorherige Routenplanung der Zweierteams, vor Ort klettern an Werktagen) ging auf: kein Anstehen in den Routen, selbstständiges Klettern, diverse Gipfel.
Nach Wochen mit Regen und Hochwasser in Bayern und Österreich begann mit der Anreise der Spätsommer: T-Shirt Wetter unter azurblauem Himmel, fast zu warm. Selbst der kurze Aufstieg zum Gimpelhaus brachte uns gehörig ins Schwit-
zen. Unsere Ziele dort waren der Gimpel, dessen Vorbau und die Zwerchwand. Oliver R. und ich starteten in der „Till Ann“. Diese fast plaisirmäßig ausgestattete Kletterroute zählt mit 5- zu den leichteren der neuen Routen in diesem Gebiet
(www.plaisirtopos.de). Logische Wegführung, zusätzlich durch Haken (bis auf die letzte Seillänge) „markiert“, führte uns auf den höchsten Punkt.
Auf dem flachen, grasdurchsetzten, mit blauen Eisenhut und Edelweiß verzierten Grat, hatten wir Ausblick in drei Himmelsrichtungen und Muse für eine ausgiebige Rast. Nur im Westen „versperrte“ der Gimpel die Sicht, an dem irgendwo die ande-
ren vier unserer Gruppe in der SO-Wand unterwegs waren. Als echte Abseilfans wählten wir für den Abstieg die anspruchsvollere Variante: zuerst ca. 30m ins „Nichts“, inklusive pendeln zum Standplatz und dann noch 3x je 50-60m bis an dem Wandfuß.
Abends dann Austausch im gemütlichen, aber lauten Gastraum. Das Essen bekam keine Bestnoten und der Kaiserschmarrn von Felix verlangte auch keine Wiederholung.
Routentausch am nächsten Tag: Ronald mit Oliver K. in die „Till Ann“, Felix und Carsten zur schwierigeren „Morgenstund“ (5+) am Gimpelvorbau, während Oliver R. und ich nun durch die S0-Wand auf den Gimpel kletterten. Diese Führe ist technisch zwar einfacher, aber etwas länger und die Wegführung fordert mehr Gespür. Auch loses Geröll zwischendurch und Steinschlag unterstreichen die Ernsthaftigkeit. Eine Führerseilschaft bremste uns anfangs aus und war dann plötzlich “weg“ – was uns kurzfristig am Routenverlauf zweifeln lies (auch weil die IIIer Stellen sich schwieriger anfühlten), aber Haken und Standplätze waren dann doch „topo-konform“.
Mittwoch der geplante der Abstieg und Ortswechsel ins Inntal. Von Zams auf kleiner Straße zur Alfuzalm. Ronald zeigte Ehrgeiz und Eitelkeit, schulterte den Rucksack und stapfte los, während wir anderen langsamer folgten und nach einer knappen Stunde des Schwitzens und Dürstens die Materialseilbahn erreichten, um von dort die Rucksäcke das letzte Stück transportieren zu lassen. Ich gebe es gerne zu: für mich eine Erlösung bei der Hitze und dem steilen Anstieg – und der kleine Bachlauf ein „Segen“. Ankunft kurz vor dem Abendessen, genossen wir die Sonne auf der Terrasse inmitten einer Arena der Kletterberge.
Wer hier klettern will, hat die Qual der Wahl und die Planung zu Hause zahlte sich aus. Die Steinseehütte, eine „echte“ Bergsteigerunterkunft, schlug um Längen das Gimpelhaus: Letzteres war doppelt so teuer und das Essen (höchstens) halb so gut. Abends mit „Nachschlag“ und morgens „all-you-can-eat“: alle im siebten Himmel. Fast genauso lautete auch eine der Routen („Ein Stück Himmel“) auf den SW-Parzinnturm, dessen Gipfel wir in den nächsten Tagen mehrfach bestiegen. Oliver und ich starteten jedoch mit dem Spiehlerturm, eine zwar kleine, aber steile Felsnadel im Kammverlauf, die erst im direkten Felskontakt ihren Routenverlauf preisgab.
Tolle Blicke vom Gipfel auf die anderen (und umgekehrt) und wieder mehrfaches Abseilen mit 50m Längen am Doppelseil. Aufgrund der festen Essenszeiten kamen wir für den Kaiserschmarrn zu spät; nur das Speed-Duo (Ronald und Oli K.) hatten sich einen schmecken lassen - was der Bewältigung des 3-Gänge Menüs eine Stunde später keinen Abbruch tat. Topos studieren, Kartenspielen und Sterne-gucken rundeten den Abend ab.
Routentausch: Carsten und Felix gingen den Steinkarturm an, wir andern den SW-Parzinnturm. Vier Routen gehen durch die Südwand des Parzinnturmes und wer sich verklettert, kann auch in einer anderen Variante landen. Auf dem Nachbargipfel konnten wir zwei Gestalten ausmachen, die auf unser Rufen reagierten und somit als Felix und Carsten identifiziert und fotografiert wurden. Abstieg durch eine steile, mit Drahtseil gesicherte, Schuttrinne und dann etwas gemütlicher weiter zur Hütte.
Ergebnis: wieder zu spät für den Kaiserschmarrn. Wie dieses „Drama“ lösen? Na logo: nicht wieder Geröllanstieg und lange Route, sondern wir statten einem der vier Klettergärten einen Besuch ab und vergnügen uns dort. Eine der Routen im
Klettergarten hieß “Goofy“ und lange Leute hatten in der Tat einen Vorteil. Die anderen erklommen nochmal den Steinkarturm. Am frühen Nachmittag zurück zur Hütte und endlich: der ersehnte Kaiserschmarrn.
Entspanntes Schmausen und anschließend wieder ebenso entspannt aufwärts zum See, dem die Hütte ihren Namen verdankt. In der Sonne sitzen, Panorama und Ruhe genießen – Nicht ganz, denn die Klänge eines Alphorns erklangen und wurden von den umliegenden Felswänden zurückgeworfen. Normalerweise nicht mein Musikgeschmack, aber hier passte es zu 100%. Ohne Vorabredung fanden sich nach einer Weile Ronald und Oli K. ein und etwas später tauchten sogar noch Carsten und Felix nicht nur auf, sondern auch noch ein (ins kühle Seewasser). Am Steinkarturm durchstiegen die erstgenannten die Südwand und die beiden anderen die SO Kante. Letzteres eine Route bei der fast „nur“ die Standplatzhaken stecken – der Rest musste selbst gesichert werden. Eine tolle Leistung für die beiden auf ihrer ersten alpinen Kletterei. Beide Routen zwar kürzer als die vorherigen, aber mit längerem An- und Abstieg und einer langwierigen Suche des Startpunktes. Als letzte Gruppe am See schlenderten wir über Wiesenhänge hinab zur Hütte, um wie immer pünktlich unseren Platz am „Stammtisch“, in dem nun vollen Gastraum, einzunehmen. Ein milder Abend, viele saßen auch noch draußen, um dann vielleicht am Sonntag im Stau an den Kletterrouten zu stehen, während wir auf der Heimfahrt Stau auf dem Fernpass und dem ersten Stück der A7 erdulden mussten. Aber der Bus kann auch schnell und so kamen wir noch im Hellen in BS an, um uns dort nach einer ereignisreichen und erfüllten Woche zu trennen. - Den Besuch der Kletterwand am nächsten Tag haben wir uns alle „geschenkt“.
Der Kletterführer „Steinseehütte“ ist nun in der Geschäftsstelle hinterlegt.