Es muss so 1987 gewesen sein. Die Klettergruppe unserer Sektion folgte dem Ruf von Kalk und Cappuccino. Meine Erinnerung: Speckig bis sehr speckig und Platten soweit das Auge reicht. Seitdem habe ich mich vielen Hinweisen zum Trotz weiterhin standhaft gewährt, das Klettereldorado nördlich des Gardasees wieder einmal zu besuchen. Irgendwie hatte sich bei mir, vermutlich aufgrund der damals absolvierten Routen, etwas im Gedächtnis festgesetzt:
Alpine Mehrseillängenroute gehen da nicht. Weit gefehlt! Bereits seit den 70er Jahren wurden erste alpine Routen und in den folgenden Jahrzehnten mehr und mehr semialpine Routen bis hin heutigen Anspruch gerecht werdender Click`n Climb Routen eröffnet. Alle Schwierigkeitsgrade und Routenlängen findet man, wenn man richtig recherchiert. 80% aller Routen heute liegen nach Angaben der aktuellen Sportkletterführer allerdings jenseits des VII. Schwierigkeitsgrades.
Recherchiert hat mein Seilpartner Matze, der meine Bitten erhört hat und mittellange Routen neueren Erschließungsdatum (weil nicht speckig) mit mittelmäßiger Absicherung heraussuchte.
Zudem sollten immer Ausweichrouten vorhanden sein (die wir nicht brauchten), da Schlange stehen am Einstieg nicht zu meinen Stärken gehört. Aber wie kam es dazu? Na klar, die Wetterkapriolen machten unsere eigentliche Planung zunichte. Wir wollten uns ja wieder einmal auf die Dolomitenrouten vorbereiten. Wolfebenerspitze und Geiselstein waren geplant, aber da konnte man noch Anfang Juni nur mit Fellen aufsteigen. Es hat ja bis in dem Mai hinein starke Neuschneemengen gegeben, also wohin?
Ach ja Arco da kann man das ganze Jahr über klettern. Aus den ca. 30 Routenoptionen mittleren Grades suchten wir dann ca. 15 Routen im IV. bis oberen V. Grades heraus. Davon konnten wir in einer knappen Woche vier Stück absolvieren mit
einem Regentag, was will man mehr. Mehr war, dass uns auch die Gesamtunternehmung einer Route mit Endpunkt der Kletterei (nicht immer ein Gipfel), den Zu- und Abstiegen, dem Absacker in der Bar Zebrate gegenüber den Sonnenplatten, also ein echtes Bergerlebnis vorschwebte. Ich nehme es vorweg, so wurde ich in nur fünf Tagen zum Arco-Fan von semialpinen Mehrseillängen. Das mit dem „Semi“ hat ja auch so seine Berechtigung; nicht nur weil mit kurz vor „Sechzig“ der Wunsch nach mehr aktiver Sicherheit steigt (stürzen tut in dem Schwierigkeitsgrad immer weh), sondern das „Semi“ vielmehr dem entsprechend schwierigen Standplatzbau in dem Gelände entgegengewirkt. Das ist überhaupt der größte Unterschied zu klassischen alpinen Routen, dass damals mangels Bohrhaken eben Kletterführen der natürlichen Morphologie folgend für den Standplatzbau gesucht wurden. Heute folgt die Anlage einer Route der schönsten, häufig ausgesetztesten Linie. So zauberten die Routen uns ein ums andere Mal ein breites Grinsen aufs Gesicht. So waren alle Routen mit Standplätzen und mit mehr oder weniger ausreichend ZH ausgerüstet, ohne dass die mitgeführten mobilen Sicherungsmittel (Friends, Keile & Schlingen) gegenstandslos gewesen wären. Im leichteren Gelände sind die Hakenabstände weit, in schwierigen Passagen gutmütig platziert, sonst wäre der Schwierigkeitsgrad
auch häufiger der VI. Grad gewesen. Die Abstiege erfolgten immer mit ausreichendem Gespür den Beschreibungen der Kletterführer. Einzig am Gipfelausstieg am Monte Baone war Improvisation erforderlich, was uns als echten Bergsteigern Spaß bereitete, eine Wegfindung zum Abstieg nach den Vorgaben der Himmelsrichtungen folgend zu suchen.
Unter der Woche waren wir in allen Kletterrouten alleine unterwegs. Auf der Suche zu einem der Einstiege fragten wir ein Sportkletter-Paar aus Tschechien, ob sie wüssten wo hier die Einstiege in die Multi-Pitches wären: Die sahen uns entgeistert an und erwiderten: Hier kann man doch keine Mehrseillängen klettern. Da passt die „Fehlannahme“ der DNA von Arco (Auszug Wiki): Arco ist wegen des hohen Felsangebots und des milden Klimas ein beliebtes und ganzjährig begangenes Klettergebiet. Die Berglandschaft um Arco bietet Sportklettergebiete wie auch viele längere alpine Touren bis zu 1000 m Höhe in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden.
Selbst die Anzahl von Mehrseillängen- Routen im Sarcatal ist mit mehr als 520 beeindruckend.